<\/div>\n\n
Rund 70 Zuh\u00f6rer aller Altersstufen hatten sich am Freitagabend zur Lesung des bekannten Autors aus dem Suhrkamp-Verlag eingefunden. \u00bbVielleicht haben Sie das Knarren, Knarzen, St\u00f6hnen geh\u00f6rt \u2013 des Sturms, des Regens\u00ab, wandte der Schweizer sich am Vorabend zu Dreik\u00f6nig an seine Zuh\u00f6rer, \u00bbWillkommen meine Damen und Herren in den Raun\u00e4chten.\u00ab<\/p>\n
Er selbst hat all diese Ger\u00e4usche geh\u00f6rt, dazu der Ruf des K\u00e4uzchens. Vor drei Jahren war das, als ihn eine Freundin aus Offenburg in die N\u00e4he des M\u00fchlsteins gef\u00fchrt hatte. \u00bbDas sind die Raun\u00e4chte\u00ab, wurde ihm, der den Begriff bis dato nicht kannte, damals beschieden. Seither hat sie ihn nicht mehr losgelassen: Jene Zeit zwischen dem ersten Weihnachts- und dem Dreik\u00f6nigstag.<\/p>\n
\u00bbDie Raun\u00e4chte gehen zur\u00fcck auf die germanische Zeit mit dem alten Mondjahr, das zw\u00f6lf Tage als Schalttage brachte\u00ab, erkl\u00e4rte der 70-J\u00e4hrige dem Publikum. Wobei diese Niemandszeit zwischen den Jahren fr\u00fcher als \u00bbeine Zeit der Unordnung galt, als eine Zeit des Chaos, eine Zeit der b\u00f6sen Geister.\u00ab<\/p>\n
\u00bbEine Zeit zum Angstkriegen ist das\u00ab, wird er in seinem gelesenen Text eine Nebenfigur sagen lassen, \u00bbauch drau\u00dfen in der Welt: nichts als Unheil, Krieg, Terror. Die b\u00f6sen Geister sind \u00fcberall, auch wenn man nicht an sie glaubt.\u00ab<\/p>\n
Wer jedoch von der Existenz der \u00bbDunkelbolde\u00ab \u00fcberzeugt war, der versuchte sie mit allerlei Br\u00e4uchen zu vertreiben. Mit Ritualen, bei denen die Frauen eine wichtige Rolle spielten. \u00dcberhaupt seien die Raun\u00e4chte eine Dom\u00e4ne der Frauen gewesen, so Urs Faes, der auf die f\u00fcr diese \u00dcbergangstage wichtige Sagengestalt der Frau Perchta respektive der \u2013 durchaus ambivalenten \u2013 Frau Holle verwies.
\nDoch nicht nur diese in fr\u00fcheren Jahrhunderten drohend-geheimnisvolle Zwischen-Zeit hatte den Schriftsteller, der f\u00fcr seine B\u00fccher viele Auszeichnungen erhalten hat und 2017 auf der Shortlist f\u00fcr den Schweizer Buchpreis stand, unwiderruflich in ihren Bann gezogen. Auch die hiesige Landschaft faszinierte ihn. Derart, dass er hier seit drei Jahren auf ausgedehnten Wanderungen Land und Leute erkundet. Was ihn zudem auf die Geschichte \u00bbVogt auf M\u00fchlstein\u00ab sto\u00dfen lie\u00df \u2013 jene ungl\u00fcckliche Liebesgeschichte, die sich um 1780 tats\u00e4chlich zugetragen und die der Heimatschriftsteller Heinrich Hansjakob (1837 \u2013 1916) f\u00fcr die Nachwelt festgehalten hat.<\/p>\n
Die Gegend drei Jahre lang erwandert<\/h3>\n
\u00bbIn den letzten drei Jahren war ich hier viele Male unterwegs\u00ab, erz\u00e4hlte Urs Faes unserer Zeitung, \u00bbbei jeder Witterung, sowohl auf der Harmersbacher als auch auf der Nordracher Seite.\u00ab Auch bei Regen und Schnee war er hier, \u00bbnicht nur im Sommer, wenn es sch\u00f6n und warm war.\u00ab Mit dem Ziel, die unterschiedlichen Stimmungen der Landschaft und der B\u00e4ume wahrzunehmen \u2013 und auch der Geh\u00f6fte, die je nach Wetter und Lage einsam erscheinen oder nicht. \u00bbDenn man kann nur dann glaubw\u00fcrdig schreiben, wenn man nicht nur einen einzigen Eindruck hat\u00ab, erkl\u00e4rt Urs Faes sein Vorgehen, \u00bbnur dann ist man in der Lage, einen dichten Text zu schreiben.\u00ab<\/p>\n
Unter dem Titel \u00bbRaun\u00e4chte\u00ab verwob er all dies zu einer im Harmersbachtal und in Nordrach angesiedelten15-seitigen Erz\u00e4hlung. L\u00e4nger durfte sie nicht sein, da sie f\u00fcr eine SWR-Literatursendung bestimmt und die Vorlesezeit von der Redaktion her auf eine halbe Stunde begrenzt war.<\/p>\n
Doch der Stoff sorgte derart f\u00fcr Furore, dass der Autor ihn \u00fcber ein weiteres Jahr hinweg zu einem Roman mit dem Titel \u00bbEiner kehrt zur\u00fcck\u00ab ausbaute. Auch hier wird der Stoff literarisch, weil auf verschiedenen Ebenen erz\u00e4hlt: Auf jeweils einer Ebene der Gegenwart, der Erinnerung, der Mystik \u2013 und all dies verwoben mit der Hansjakobschen Vogt-auf-M\u00fchlstein-Geschichte um die ungl\u00fcckliche Liebe zwischen Lene und Hans.<\/p>\n
Eine Vorpremiere<\/h3>\n
Dieser Roman \u2013 sehr atmosph\u00e4risch, spannend und sprachlich wundersch\u00f6n \u2013 wird im kommenden Sommer im Suhrkamp-Verlag erscheinen, laut Aussage des Autors wahrscheinlich Anfang August.<\/p>\n
\u00bbSie erleben hier also eine Vorpremiere, wenn man so will\u00ab, meinte Urs Faes zu seinen Zuh\u00f6rern im H\u00f6hen-Gasthaus \u00bbVogt auf M\u00fchlstein\u00ab. Mit ebenso charmantem wie bestens verst\u00e4ndlichem Schweizer Zungenschlag las er zweimal je etwa eine Viertelstunde aus der ber\u00fchrenden, dramatischen Lebens- und Liebesgeschichte um zwei einstmals eng vertraute und schlie\u00dflich bis aufs Blut zerstrittene Br\u00fcder.<\/p>\n
Der Grund f\u00fcr den Bruderkrieg, der einen der Br\u00fcder \u2013 den Protagonisten des Romans \u2013 auswandern lie\u00df: Das Hoferbe und die gemeinsame, ungl\u00fcckliche Liebe zu einer Frau. Nach vierzig Jahren nun kehrt der Auswanderer zur\u00fcck in die Heimat. In der Hoffnung seinen Bruder wiederzusehen, sich mit ihm zu vers\u00f6hnen. Wird das gelingen? Zwar las Urs Faes auch den Schluss. Da man diesen nach des Autors eigenem Bekunden normalerweise jedoch nicht preisgibt, sei er an dieser Stelle nat\u00fcrlich nicht verraten.<\/p>\n
Schuld und Verzeihen<\/h3>\n
Stefanie Vollmer vom katholischen Bildungswerk, das die Veranstaltung organisiert hatte, res\u00fcmierte zu \u00bbEiner kehrt zur\u00fcck\u00ab: \u00bbEine Geschichte von Schuld und Verzeihen\u00ab. Und an Urs Faes gewandt fuhr sie fort: \u00bbDabei haben Sie es verstanden, unsere sch\u00f6ne Schwarzwaldlandschaft und die mystische Zeit der Raun\u00e4chte so zu beschreiben, dass man meint, dabei gewesen zu sein.\u00ab
\nEbenfalls viel Applaus erhielt Roland J\u00e4ckle aus Hausach, der die Lesung mit seinem Gitarrenspiel begleitete. Zum Dank erhielten beide Akteure von Stefanie Vollmer eine gro\u00dfe Flasche Nordracher Moospfafflik\u00f6r \u2013 beerig-fruchtig und umso passender, als Urs Faes auch den Moospfaff als ortsspezifische Sagengestalt subtil in sein Romangeschehen mit eingewoben hat.<\/p>\n
\u00bbDer Roman ist einerseits eine Liebeserkl\u00e4rung von mir an die fantastische Landschaft hier\u00ab, so der Schriftsteller abschlie\u00dfend zu seinem Publikum, \u00bber ist aber auch eine Liebeserkl\u00e4rung an die Badener, die ich in den letzten drei Jahren als unheimlich freundliches, zug\u00e4ngliches, liebensw\u00fcrdiges Volk kennen-, sch\u00e4tzen und lieben gelernt habe.\u00ab<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
\u00bbAm 6. Januar habe ich rein zuf\u00e4llig die Erz\u00e4hlung \u00bbRaun\u00e4chte\u00ab im Radio auf SWR 2 geh\u00f6rt und war begeistert.\u00ab Auf… weiterlesen<\/a><\/p>\n","protected":false},"author":41,"featured_media":27623,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[196],"tags":[2372],"institution":[],"coauthors":[2052],"aioseo_notices":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/27686"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/41"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=27686"}],"version-history":[{"count":2,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/27686\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":27689,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/27686\/revisions\/27689"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/27623"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=27686"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=27686"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=27686"},{"taxonomy":"institution","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/institution?post=27686"},{"taxonomy":"author","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/coauthors?post=27686"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}