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Vor einhundert Jahren tobte in Europa der erste Weltkrieg. Kanonen mit einer Rohrl\u00e4nge von 35 Meter erreichten eine Schussweite von 132 Kilometer. Mit der Fortbewegung auf dem Schlachtfeld war ein Pferdezug hoffnungslos \u00fcberfordert. Der Siegeszug des Automobils war derweil nicht aufzuhalten. Bei den Streitkr\u00e4ften wollte man \u00bbweg vom Pferd\u00ab. Viele Gr\u00fcnde sprachen f\u00fcr den Ersatz der Einhufer durch Kraftfahrzeuge. Man argumentierte: Die Maschine frisst nur wenn sie arbeitet. Das Pferd muss auch in den Pausen versorgt werden. Fachleute errechneten bei der Gegen\u00fcberstellung der Betriebsmittelkosten von Pferd und Verbrennungsmaschine ein Verh\u00e4ltnis von 15:2. Auf deutscher Seite waren w\u00e4hrend des ersten Weltkriegs etwa 1,5 Millionen Pferde im Einsatz. Ein gro\u00dfer Teil davon wurde bei Fuhrbetrieben, Handwerk sowie der Land- und Forstwirtschaft eingezogen. Probleme bei Nachschub und Lebensmittelversorgung waren die Folge. Bei der berittenen Truppe nahmen Pferde in den vordersten Linien
\nam Kampfgeschehen teil. Dort hatten die Tiere die geringsten \u00dcberlebenschancen. Hinter der Front \u00fcbernahmen sie Logistikaufgaben von den Bahnh\u00f6fen zu den Sch\u00fctzengr\u00e4ben. F\u00fcr einen Soldaten rechnete man pro Tag 1,5 Kilogramm Verpflegung, f\u00fcr ein Pferd 10 Kilogramm Futter.<\/p>\n
2.400 Schlepper auf dem Schlachtfeld<\/h3>\n
Die Entwicklung leistungsf\u00e4higer Kraftzugmaschinen wurde zur patriotischen Aufgabe erkl\u00e4rt und als solche mit Hochdruck vorangetrieben. Erste Artilleriezugmaschinen waren schon vor dem ersten Weltkrieg zu sehen. 1917 verf\u00fcgte das deutsche Heer \u00fcber ungef\u00e4hr 300 Schlepper. 1918 sollen es etwa 2.400 gewesen sein. Nach dem Krieg wurden die deutschen Fahrzeughersteller zu Reparationsleistungen verpflichtet. F\u00fcr Milit\u00e4rschlepper gab es keinen Bedarf mehr. Firmen wie Carl Kaelble in Backnang verkauften Zugmaschinenfahrgestelle mit Brennholzs\u00e4ge- und Spalttechnik. Solide Konstruktionen, welche teilweise noch heute im Einsatz sind.<\/p>\n
1918 sorgte der Franzose Adolphe K\u00e9gresse mit einem Halbkettenschlepper f\u00fcr Aufsehen. Als Schirrmeister am Hof des Zaren Nikolaus II. in St. Petersburg hatte er den Fuhrpark zu betreuen. Nachdem der Zar mehrfach mit seinem Jagdwagen im Schnee stecken blieb, hat K\u00e9gresse diesem ein Kettenlaufwerk verpasst. Der Raupenschlepper war erfunden und wurde am Markt gut angenommen. 1921 stellte die Firma Heinrich Lanz des ersten Roh\u00ad\u00f6lschlepper der Welt vor. Weitere Hersteller folgten.<\/p>\n
In der Heimat \u2026 Alles M\u00fcller<\/h3>\n
Zu den zivilen Zugmaschinenpionieren z\u00e4hlten die Zeller Keramischen Fabriken. Die Ware wurde in Eisenbahn-Rollbeh\u00e4ltern verstaut und per Lanz-Bulldog mit zwei Anh\u00e4ngern zum Bahnhof gefahren. Mit der Versorgung beider Werke war Schleppermaschinist M\u00fcller gut ausgelastet. Auf der Strecke vom Bahnhof zur unteren Fabrik kam er zwangsl\u00e4ufig am \u00bbWei\u00dfen Kreuz\u00ab vorbei. Dort lebte und wirkte Dr. Dinter, Parteimitglied Nr. 5 der neu gegr\u00fcndeten NSDAP. Einst Gauleiter von Th\u00fcringen, geriet er mit Hitler in Streit und zog sich schlie\u00dflich in die politische Provinz zur\u00fcck. Fahrzeuge mit unsynchronisiertem Getriebe muss\u00adten beim Zur\u00fcckschalten stets Zwischengas geben. So kam M\u00fcllers Bulldog-Gespann beim Abbiegen mit einer gewaltigen Ger\u00e4uschkulisse daher. Artur Dinter sah sich bei seiner Arbeit gest\u00f6rt und geriet jedes Mal in Rage. Schlie\u00dflich kaufte er der \u00bbKeramik\u00ab den Lanz f\u00fcr 500 Mark ab und verkaufte ihn f\u00fcr 400 Mark an einen Landwirt in Unterentersbach. Das Problem war gel\u00f6st. Die Firma Schmider beschaffte einen Hanomag, welcher dank seines Vierzylinders viel kultivierter auftrat.<\/p>\n
Der K\u00f6rnle-Sepp<\/h3>\n
Der Nordracher Lindenwirt war ein erfolgreicher Gesch\u00e4ftsmann. Neben der Land- und Forstwirtschaft betrieb er Schnapsbrennerei und eine erfolgreiche Gastwirtschaft. In den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts standen bei ihm sechs Pferde im Stall. Ferner besa\u00df er einen Lkw und einen Lanz-Bulldog. Wie das Leben so spielt, geriet er eines Tages in Zahlungsverzug. Sein Mitarbeiter Josef K\u00f6rnle hatte eine Stange Geld zu bekommen. In Ermangelung von Bargeld wechselte der Bulldog zusammen mit einem vollgummibereiften Anh\u00e4nger den Besitzer. Von heute auf morgen war der Sepp Fuhrunternehmer und hatte als solcher viel zu tun. Zu K\u00f6rnles Alltagsgesch\u00e4ft geh\u00f6rten Holztransporte vom S\u00e4gewerk zum Kunden. Auf dem R\u00fcckweg versorgte er vier Lungenheilst\u00e4tten mit Kohlen. Mit zwei zwillingsbereiften Anh\u00e4ngern konnten 200 Zentner davon bef\u00f6rdert werden.<\/p>\n
Jedes S\u00e4gewerk unterhielt mindestens ein Pferdegespann. Der Weg mit der S\u00e4geware in die Rheinebene f\u00fchrte \u00fcber den Sch\u00f6nberg. Um den Pferden die Strapazen abzunehmen, verabredete man sich mit dem K\u00f6rnle Sepp beim ehemaligen Gasthaus Linde nahe der Biberacher Kinzigbr\u00fccke. An der Br\u00fccke angekommen, \u00fcbernahm er die beladenen Leiterwagen, um diese auf den Sch\u00f6nberg zu ziehen. Dort wurden sie wieder von den Pferden \u00fcbernommen. Oft standen drei Pferdegespanne an der Kinzigbr\u00fccke zur Abholung bereit.<\/p>\n
Schwerter zu Pflugscharen<\/h3>\n
Mit der Einf\u00fchrung des Schleppers im ersten Weltkrieg war das Pferd noch lange nicht aus den Schlachtfeldern verbannt. Im zweiten Weltkrieg versahen noch etwa 2,75 Millionen Einhufer in der deutschen Wehrmacht ihren Dienst. Wie das Oberkommando der Wehrmacht berechnet hat, lag die Lebenserwartung eines Einhufers im Kriegseinsatz bei vier Jahren. Das Kraftfahrzeug war statistisch bereits nach einem Jahr am Ende. Unbestritten sind die Impulse, welche Artillerieschlepper auf die Entwicklung von Zugmaschinen f\u00fcr die Land- und Forstwirtschaft gegeben haben. Die Mechanisierung hat dazu beigetragen, dass ein Landwirt heute
\n115 Menschen ern\u00e4hrt. Vor einhundert Jahren waren es noch sieben.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
Die automobile Geschichte hat zahlreiche interessante Fakten zu bieten. Aber wer wei\u00df heute schon noch, dass die Entwicklung von Traktoren… weiterlesen<\/a><\/p>\n","protected":false},"author":224,"featured_media":26043,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[193],"tags":[],"institution":[],"coauthors":[2048],"aioseo_notices":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/26103"}],"collection":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/224"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=26103"}],"version-history":[{"count":1,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/26103\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":26108,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/26103\/revisions\/26108"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/26043"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=26103"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=26103"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=26103"},{"taxonomy":"institution","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/institution?post=26103"},{"taxonomy":"author","embeddable":true,"href":"https:\/\/www.schwarzwaelder-post.de\/wp-json\/wp\/v2\/coauthors?post=26103"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}