»Die meisten Anstrengungen für eine gute Gülle leistet die Milchwirtschaft«, meint Jens-Martin Keim, Sprecher der vor vier Jahren gegründeten Interessengemeinschaft »Gesunde Gülle«. Er selbst betreibt im bayerischen Feuchtwangen mit 24 Kühen einen kleinen Bio-Heumilchbetrieb.
Bei der von Stefan Lehmann für den vergangenen Freitagabend organisierten BDM-Versammlung referierte Jens Keim dazu, »Was in punkto Düngeverordnung auf uns zukommt«.
Zunächst wandte er sich dem »Nitratproblem« zu: Das Ziel der aktuellen EU-Düngeverordnung besteht in der Eliminierung des Gefahrenstoffeintrags, der zu Nitrat- und Nährstoffverfrachtung in Ökosystem und Weltmeere führt. Daher dürfen im Betriebsdurchschnitt nicht mehr als 170 kg Gesamt-Nitrat je Hektar aus organischen und organisch-mineralischen Düngern ausgebracht werden.
Allerdings, so Jens Keim, verursache mineralischer Dünger erwiesenermaßen eine hohe Nitratauswaschung – bei organischer Düngung hingegen gebe es keine Nitratauswaschung. »Deswegen kämpfen wir gegen die Begrenzung auf 170 Kilo«, kritisiert er die in vielen Punkten mangelnde Praxistauglichkeit der Düngeverordnung: »Wenn wir Gülle statt Kunstdünger verwenden, haben wir weniger Nitratauswaschung.« Hinzu komme, dass der Mineraldünger ein Problem sei, mit dem Humusstruktur zerstört werde.
Ein weiterer Kritikpunkt an der Düngeverordnung: Von 2025 an sollen Landwirte verpflichtet werden, Gülle auch auf Grünland, auf Wiesen mit wichtigem Viehfutter, bodennah und streifenförmig auszubringen. »Das bedeutet für die Betriebe eine Zwangsausstattung mit extrem teurer Großtechnik, die zudem ein extrem hohe Eigengewicht hat«, moniert der IG-Mann die negativen ökonomischen aber auch ökologischen Folgen, wie beispielsweise verstärkte Bodenverdichtung. Diese wiederum führt zu Problemen in punkto Boden belüftung und CO2-Speicherung, Nährstoffdepot und Entwässerung. Und sie reduziert Lebensraum und Artenvielfalt von Mikroorganismen und Kleinstlebewesen.
Praxisnähe gefordert
Allerdings sind gleichwertige Verfahren zur in der Verordnung ausgeschriebenen Ausbringtechnik erlaubt. Und genau darum geht es der IG »Gesunde Gülle«: Endlich eine Genehmigung für andere, gleichwertige oder alternative Verfahren zu erhalten. Mit der Forderung: »Die gesamte Düngeverordnung muss auf Basis einer praxistauglichen Regelung angewendet werden, die Nitrateintrag vermeidet und dem Humusaufbau als CO2-Speicher gerecht wird, ebenso wie der Emissionsreduktion sowie dem Düngebedarf von Pflanzen und Bodenorganismen.«
Dazu jedoch bedarf es belastbarer Prüf- und Messwerte aus der Praxis, und die wurden gemäß Aussage Jens Keims seitens der Gesetzgeber bislang nicht vorgelegt. So auch in Bezug auf Ammoniak-Emissionen. Diese müssen in Deutschland bis anno 2030 eine Reduzierung um 29 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 erreichen, wobei der Landwirtschaft eine Verursachungsquote von 90 bis 95 Prozent zugeschrieben werden.
Mit dem Problem jedoch, dass die Ammoniak-Emissionen in Deutschland laut Jens Keim nie gemessen, sondern lediglich berechnet wurden, ohne dass ein wissenschaftlich belastbarer Nachweis für die Richtigkeit der Berechnungen – oder aber Annahmen, Schätzungen und Modelle – erbracht worden sei: »Wir brauchen keine Laborwerte, sondern in der Praxis genommene Werte!« So sei inzwischen beispielsweise erwiesen: Je geringer die Temperatur bei der Gülle-Ausbringung, desto geringer seien die NH3-Emissionsunterschiede zwischen dem einen und dem anderen Ausbringungsverfahren. »Wenn wir es schaffen«, unterstreicht der Referent, »mehr Gülle in kühlerer Jahreszeit auszubringen, ohne dass sie der Pflanze schadet, sind wir schon einen großen Schritt weiter. Ich selbst bringe bei höheren Temperaturen als 10 Grad Celsius keine Gülle aus.«
Emissionssenkung schon in Stall und Güllelager
Laut bayerischem Umweltamt verteilen sich die Ammoniakemissionen zu 57 Prozent auf Stall und Güllelager, 43 Prozent entstehen bei der Ausbringung. »Der Gesetzgeber hat sich auf den Bereich der Ausbringung kapriziert«, rügt der Referent, »wir aber betrachten die Gesamtsituation und fangen im Stall an.« Mit dem Ziel, aus der Fäulnisgülle eine pflanzenverträgliche Rottegülle zu machen. Denn die Art der Fütterung sowie die Zugabe von Medikamenten – man denke nur an Antibiotika – haben einen wesentlichen Einfluss auf in der Gülle befindlichen Mikroben.
Auch im Lager kann Ammoniakausgasung gebunden werden, durch verschiedene Möglichkeiten der hofeigenen, biologischen Aufbereitung der Gülle. Somit ist die Beschaffenheit einer Gülle betriebsindividuell. »Es gibt ebenso wenig eine Standard-Gülle wie es Standard-Grünland gibt«, fasst Jens Keim zusammen und wiederholt, dass man daher wissenschaftlich saubere Messungen statt Berechnungen durchführen, mit individuellen Gülle- und Bodenproben arbeiten müsse.
»Zwischen Fäulnis- und aufbereiteter Rottegülle haben wir massive Unterschiede in der Emissionsentgasung«, hebt der Referent hervor, »das hat die IG Gesunde Gülle in Zusammenarbeit mit verschiedenen Instituten ermittelt – Ammoniak in der Luft zu messen, ist ein Phänomen, aber wir haben es hingekriegt«. Eine technische Lösung mit bodennaher Ausbringung – wie von der Düngeverordnung gefordert – sei bei einer erfolgreich behandelten Rottegülle daher unnötig.
Rotte statt Fäulnis
Eine gut aufbereitete und entsprechend emissionsreduzierte Rottegülle, betont Jens Keim, sei überdies pflanzenverträglich, das heißt, die Pflanze kann den Ammoniumstickstoff ohne Schaden über das Blatt aufnehmen. »Da, wo der Ammoniumstickstoff über das Blatt geht, wirkt er sofort, und da kann auch die Sonne draufscheinen.« Im Unterschied zur Fäulnis-, sprich Biogasgülle fördert eine solche Rottegülle zudem die mikrobiologische Bodenaktivität ebenso wie Insektenaufkommen und Artenreichtum. Und leistet somit auch in dieser Hinsicht einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz.
Um für die Aufbereitung des hofeigenen Wirtschaftsdüngers mit Verwendung zur flächigen Blattdüngung die Anerkennung als gleichwertiges Verfahren zur bodennahen Gülleausbringung zu erhalten, plädiert Jens Keim für ein breites Bündnis von Bauern, Forschern, Beobachtern, Politikern und Entscheidungsträgern. Er sei nicht gegen die Erfüllung der Richtlinien, sondern suche nach guten Lösungen – im Sinne einer zukunftsfähigen Landwirtschaft: »Wir Bauern sind nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.«