Die Flora-Fauna-Habitat-(FFH-) Wiesen Unterentersbachs haben eine große Bedeutung für den Naturschutz. Vor Ort veranstaltete der Landschaftserhaltungsverband Ortenaukreis zum Thema »Wiesenwissen«
einen lebendig-informativen Schnellkurs für Jedermann.
Regina Ostermann ist ein bisschen enttäuscht. Einerseits. Denn gerade einmal sieben Kurs-Teilnehmer haben sich auf dem Wiesengelände neben der Kreisstraße eingefunden, die Biberach mit Stöcken verbindet.
Andererseits freut sich die Geschäftsführerin des 2010 gegründeten Landschaftserhaltungsverbandes Ortenaukreis über jeden einzelnen Interessenten. Hinzu kommt: Letztes Jahr, als sie »Wiesenwissen« hier erstmals vermitteln wollte, »waren wir eine sehr kleine Gruppe, insofern hat sich das Interesse dieses Jahr um 100 Prozent gesteigert«, lacht die promovierte Forstwissenschaftlerin.
Wie aber den Zuhörern die Bedeutung vor allem der Mäh- respektive Heuwiesen erklären? »Wo fängt man da an«, fragt sich die 53-Jährige laut, »das ist ein weites Feld.« Fest steht: Wiesen sind bedroht, werden immer weniger. Ein Wiesenumbruchsverbot besteht daher inzwischen.
Vor etwa drei Jahren sei dieses von der Landesregierung Baden-Württemberg ausgesprochen worden, erklärt Regina Ostermann: Es verbietet einem Landwirt Grünland umzubrechen, ohne dass er zum Ausgleich auf einer anderen (»bislang vermutlich Acker-«) Fläche eine neue Wiese anlegt.
»Für einen Betrieb kann das fatale Folgen haben, das darf man nie vergessen«, verweist die LEV-Frau auf ein schwerwiegendes Dilemma, schließlich braucht ein Landwirt – wie jeder andere Unternehmer auch – eine gewisse Freiheit in seinem betrieblichen Handeln. Auf der anderen Seite jedoch haben Wiesen »von der Ökologie her, für die Fauna und vor allem für die Insektenwelt einen unschätzbaren Wert.« Klar ist aber auch: Ohne Landwirte gäbe es keine Wiesen, »irgendjemand muss sie schließlich bewirtschaften, sonst würde alles zuwachsen, und dann hätten wir nur Wald, vor allen Dingen an den Hängen.
Um so mehr freut die für den Landschaftserhalt Engagierte, dass es »hier auf der Gemarkung Unterentersbach, und zum Teil auch auf der von Zell, noch wunderschöne Mähwiesen – also Heuwiesen – gibt, die zum Teil nach dem zweiten Schnitt auch noch beweidet werden.«
Es gibt diese Wiesen hier deshalb noch, weil sie von den Behörden als vom Naturschutz her sehr hochwertig erfasst wurden, was Ausschlussgrund für eine weitere Bebauung war, wie man sie in Form eines interkommunalen Gewerbegebietes einmal angedacht hatte. Sogar unter europäischem Schutz stehen diese Wiesen – als sogenanntes Natura-2000-Gebiet.
Wiesen stehen unter europäischem Schutz
»Das ist eine 20 Jahre junge Schutzkategorie für verschiedene Biotope und somit wertvolle Lebensräume, wozu unter anderem die Mähwiese gehört«, erläutert Regina Ostermann.
Die meisten solcher Wiesen sind in Deutschlands Süden zu finden, in Baden-Württemberg und auch in Bayern. »In Richtung Norden klingt das aus, da gibt es hauptsächlich Weide- und Agrarlandschaften mit überwiegend Ackerbau«, unterstreicht die Frau, die mit ihrem Verband als Vermittlerin zwischen Mensch und Natur agiert. »Deshalb hat Baden-Württemberg eine besondere Verantwortung für Mähwiesen und hat relativ viel unter Schutz gestellt.«
Unter anderem wächst hier auf den Unterentersbacher FFH-Wiesen der Große Wiesenknopf, auch »Blutströpfle« genannt. Der ist eine Leitpflanze für Grundwasser beeinflusste Standorte und vor allen Dingen der Grund dafür, dass man hier eine geschützte Falterart findet, den dunklen Ameisen-Wiesenknopf-Bläuling. Der ist eine für die Artenvielfalt wichtige Schlüsselart. Wobei »Schlüsselart« bedeutet, dass sie im Vergleich zu ihrer geringen Häufigkeit einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Artenvielfalt einer Lebensgemeinschaft ausübt.
»Von den Bläulingen gibt es mindestens 20 Arten bei uns, die alle sehr ähnlich aussehen, und jede von ihnen hat sich auf eine Pflanze spezialisiert«, erklärt der LEV-Mitarbeiter Julian Sieferle, der Regina Ostermann bei der Wiesenwissen-Veranstaltung unterstützt.
Raffinierte Spezialisierung eines Falters
Er zeigt eine Abbildung des hiesigen, seltenen Ameisen-Wiesenknopf-Bläulings und verdeutlicht, wie raffiniert dessen Spezialisierung aussieht. Zunächst legt er ein Ei an den noch geschlossenen Blütenkopf. Die sich entwickelnde, etwa 13 Millimeter lange Raupe frisst das anfänglich tief dunkelrote »Blutströpfle« (dessen Farbe sie zu Tarnungszwecken im Übrigen imitiert) von innen auf und lässt sich am Ende des Sommers auf den Boden fallen, um von Ameisen in deren Bau getragen zu werden. Dort sondert sie ein Sekret ab, das den Nestgeruch der Krabbler imitiert und diese die Raupe »wie ihre eigene Brut annehmen und mitversorgen« lassen, bringt Julian Sieferle seine Zuhörer zum Staunen.
Wie so oft aber ist Undank der Welten Lohn. Die Raupe nämlich ist ein Räuber, der sich von den Eiern und Larven ihrer Wirte ernährt. Schließlich verpuppt sie sich im Ameisenbau. Im Jahr darauf schlüpft der Falter und fliegt, der Zyklus beginnt von vorn. Da der Bläuling jedoch nur im Juli/August fliegt, ist es für sein Überleben unabdingbar, dass der Große Wiesenknopf zu dieser Zeit auch blüht.
Pflegeverträge kommen der Natur zugute
»Deshalb können die Landwirte, deren Flächen hier als Lebensstätten für den Falter ausgewiesen sind, mit uns Pflegeverträge machen«, erklärt Julian Sieferle. Sie erhalten Auflagen, wie sie die Wiesen zu bewirtschaften haben, damit es für den Lebenszyklus dieses einen speziellen Bläulings passt. Im Gegenzug erhalten Sie eine gewisse Förderung.
»Die stellt im Prinzip einen Ausgleich dafür dar, dass der Landwirt in seinem Handeln nicht ganz frei ist«, betont der junge LEV-Mann und beschreibt die verschiedenen Bewirtschaftungsmöglichkeiten: Entweder macht man den ersten Schnitt sehr früh im Jahr, so dass sich der Große Wiesenknopf rechtzeitig regenerieren und in der für den Falter passenden Zeit blühen kann. Oder man mäht nur Teile der Wiesen und lässt ungemähte Bereiche mit der für den Falter lebensnotwendigen Pflanze stehen, wie derzeit auf den FFH-Wiesen Unterentersbachs zu sehen.
Wiesenwissen Teil 2« wird in einer unserer nächsten Ausgaben folgen. Dann mit Informationen zu den hier wachsenden Wiesenpflanzen und ihrer Bedeutung.