Aufmerksame Passanten wunderten sich am Samstagabend über auffällige Personengruppen im Zeller Zentrum. Sie stellten ein erhöhtes Aufkommen von Gauchos, Piloten und Schwarzwaldfeen im Bereich rund um die »Alte Fabrik« fest. Die Ursache: Der Städtle-Abend lockte Närrinnen und Narren an.
Wie aus sicherer Quelle zu erfahren war, fanden selbst Superhelden den Weg ins Kulturzentrum. Es soll sogar der Bürgermeister gesehen worden sein – allerdings nicht im feinen Zwirn, sondern getarnt als Piratenkönig. Erstaunen löste zudem die Nachricht aus, dass der Fischer-Metzger an gleicher Stelle beim Verzehr eines Käswecks gesehen worden sein soll. Verrückte Welt!
Plagegeister erzählen
Mindestens genauso verrückt das Bühnenprogramm. Zwei riesige Brummer fragten »Wen juckt’s?« Sie erzählten aus dem Leben zweier Stechmücken auf Nahrungssuche. Zum Beispiel, dass die im Rathaus nicht so unbestechlich sind, wie man glaubt: »Ich konnt sie stechen ohne Ende. Da drinnen hen se meistens pennt.« Und auch die Frage, wie das Image von Stechmücken aufpoliert werden könnte, hat endlich eine Antwort: »Beliebter wären wir, wenn wir nicht Blut saugen würden, sondern Fett.« In der Wallfahrtskirche gelte für die ungeliebten Plagegeister »genießen ohne Risiko«, denn dort würde keiner nach ihnen schlagen. Allerdings müsse man aufpassen, wen man steche. Blutverdünner führe zu Durchfall. Besonders gefreut hatte die zwei Brummer, dass das Rote Kreuz ihre Situation erkannt hätte und immer wieder durch Banner mit der Aufschrift »Rette Leben – spende Blut« darauf aufmerksam machen würde. Der Applaus des Publikums für die tolle Darbietung kam bei den Protagonisten, die ganz und gar in ihrer Rolle blieben, scheinbar nicht gut an: »Geklatsche macht uns nervös!«
Kleinkariert – na und?!
Zauberhaft war der zweite Showact des Abends. Das Kinderballett »Homberle Group« tanzte mit Monika und Katrin Selinger, Ute Schwendemann und Rita Lehmann als Background zum Song »Prinzessinnen Karo« eine schwungvolle Choreografie von Anne Selinger. Die kam so gut an, dass die Kids nach lauten Zugabe-Rufen ihr Können gleich noch ein zweites Mal zum Besten geben mussten.
So ein Affenzirkus
Ohne die »Homberlebonk« wäre der Städtle-Abend auch in diesem Jahr nicht vollständig gewesen. Dabei war es für die Protagonisten Martin Pils und Florian Lehmann schon schwierig überhaupt zur Bank zu gelangen. Die war dieses Jahr nämlich zunächst abgesperrt. Kaum auf der Sitzgelegenheit angekommen, ging es los mit den Themen des letzten Jahres. Stolz könnten alle Unterharmersbacher sein. Sogar Ikea hat das Potenzial des Ortsteils erkannt und bietet den – eingehochdeutscht – Langflorteppich »Hampen« an. »Wen man den vorm Bett hat, fängt jeder Tag gut an«. Natürlich ging es auf dem Bänkle auch um Gesellschaftliches. Etwa um die verlegte Bushaltestelle am Bildungszentrum. Den Kindern wurden schwere Haltungsschäden prognostiziert, müssen sie doch nun in der Schräge auf den Schulbus warten. Das Dauerbrenner-Thema Verkehr wurde ebenfalls durch den Kakao gezogen: das angestrebte, urbane Leben in der Kirchstraße, die Parksituation im Zentrum und der Spatenstich zu den Bauarbeiten an der Ortsdurchfahrt Unterharmersbach. »So ein Affenzirkus«, war von der Bühne zu hören. »Dass nicht noch der Bundespräsident gekommen ist, war eins«. Dabei läuft bei der Sanierung im Prinzip alles rund. Nur eine Brücke macht Ärger. Die kann aufgrund nicht zu beschleunigender Planungsprozesse im Regierungspräsidium nicht schneller fertiggestellt werden. »Und das nach acht Jahren Planung«, wunderte man sich zunächst, hatte aber gleich eine Erklärung parat. »Bist Du Dir sicher, dass ein Kalenderjahr und ein Beamtenjahr das gleiche ist?« Sportlich ging es weiter. Die Aufregung rund um den Trainerwechsel des ZFV ließ für die Homberlebonk allein einen Schluss zu: »Wir hätten eigentlich in der Bundesliga spielen müssen.«
Social-Media-Parodie
Dass on- und offline keine Konkurrenz sein muss, bewies Viktor Lehmann in seinem Beitrag »Peggys Geburtskanal«. Den Facebook-Channel zur Phantasiefigur Peggy gibt es in der Tat schon einige Zeit. Am Samstag hatten die Besucher des Städtle-Abends die Gelegenheit, den neuen Star am Social-Media-Himmel live zu erleben. Die Ursprungsidee: Im Harmersbachtal gäbe es keine richtige Geburtsversorgung mehr. Da müsse man etwas machen. Warum also keinen Facebook-Channel? Als Expertin in Sachen Geburtshilfe war am Samstag Hebamme Claudia Brucher mit auf der Bühne. Es folgte eine abstruse Gedankenreise ohne Tabus rund um die Welt der Geburt. Wassergeburten seien kein Problem – schließlich hätten werdende Mütter den Harmersbach vor der Tür. Im Bachsteig könne man sich entspannen und die Leute, die vorbei kämen, könnten bei der Geburt »Support machen«. Selbst zur Namensfindung für den Nachwuchs hatte Peggy einen Tipp. Voll im Trend liegt aktuell die Blutdruckmethode. Man zieht den unteren Wert vom oberen ab und rechnet nochmals 15 weg. Die Zahl ist die Position des Anfangsbuchstaben im Alphabet. Wie bei den Influencer-Stars aus dem Internet üblich, hatte die Städtle-Peggy jede Menge Cross-Selling-Angebote in petto, wie zum Beispiel die Backmischung »Mutterkuchen-Kuchen« oder einen leckeren »Fruchtwasser-Sirup«.
Ballett in Ketten
Überragend präsentierte sich anschließend das Städtle-Ballett mit der Nummer »Goldwert«. Die Geschichte des Tanztheaters: Einbrecher wollen das wertvolle, goldene Buch der Stadt Zell stehlen. Doch der Alarm geht los und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Im Rahmen der Ermittlungen werden die Bosse von sechs Fasendgemeinschaften beschuldigt, von denen jedoch jeder eine typische Ausrede parat hat. Sensationell dargestellt und mit Aufnahmen der Originalstimmen dargeboten. Den Tanz mit Kettenrasseln und Gitterstäben wollte das Publikum gleich noch einmal sehen – einen Wunsch, den die Tanzgruppe nur allzu gern erfüllte.
Zeller Imageprobleme
Zum Abschluss gab es traditionell Comedy und Lieder von und mit Antje Schwarzkopf, Jeanette Dolce Lo Voi, Viktor Lehmann und Rolf Herr. Das Thema des Jahres 2018: NeuModisch. Der alte Filz der Bürgerwehr wich auf der Bühne einer neuen Zeller Tracht. Und auch sonst müssten Veränderungen sein, waren die vier sich einig. Zell glitzere mittlerweile mehr als Baden-Baden. Schließlich gäbe es beim Gissler jetzt Gucci. Das Hauptproblem der Stadt sei ein anderes. Zell habe viel, doch man sehe es nicht. Beispiel Fürstenberger Hof. Der sei gut gebucht für Trauungen, aber es gäbe hinterher fototouristische Probleme. Immer sei ein WC-Schild im Bild. Das könne für »Wedding Chapel« stehen, lautet die pragmatische Lösung. Auch ein Zeichen für Toleranz sollte gesetzt werden, gegen Mobbing, Unterdrückung und Ausgrenzung. Gemeint war die Fußgängerzone in der Kirchstraße, die – nur weil sie klein war – viel Kritik einstecken musste. Leben und leben lassen, war schlussendlich der Wunsch.
Bevor noch lange und ausgelassen getanzt werden konnte, spielte die Stadtkapelle einige Lieder auf der Bühne. Wann und wie die Piloten, Gauchos, Schwarzwaldfeen und Superhelden ihren Weg nach Hause gefunden haben, ist nicht überliefert. Bekannt ist lediglich, dass sie am nächsten Morgen verschwunden waren.
Mitwirkende:
Zwei Brummer – wen juckt’s?:
Britta und Bernd Kornmayer.
Homberle Group:
Sophie Schwarz, Daria Andreev, Milla und Jule Sattler, Lea Selinger, Pia Lehmann, Pia Sapparth, Marie Klammer, Tobias Selinger, Jacob Schwendenmann; Background: Monika und Katrin Selinger, Ute Schwendenmann, Rita Lehmann; Choreografie: Anne Selinger.
Homberlebonk:
Martin Pils, Florian Lehmann.
Peggys Geburtskanal:
Viktor Lehmann.
Goldwert:
Tamara und Nadine Goltz, Stephanie Herr, Anne Selinger, Vera Dreher, Nora Lay, Nina Damm, Alicia Körnle, Svenja Welle, Tom Selinger, Benjamin Weise; Choreografie: Tamara Goltz.
NeuModisch:
Antje Schwarzkopf, Jeanette Dolce Lo Voi, Viktor Lehmann, Rolf Herr.
Kulisse:
Markus Selinger.
Technik:
Thomas Brucker, Oliver Damm.
Bar:
Jenny Wangler, Jana Eva, Fabian Faißt, Maximilian Breig.
Kasse:
Uwe und Michael Florin, Bendix Eisert.
Bewirtung:
Rescht vum Städtle, unter der Leitung von Monika Selinger, Marion und Ulrich Weißer.