Jeden Donnerstagabend treffen sich die Jagdhornbläser in der Jagdhütte im Wolfsbachtal zur Probe. Die Gruppe um Willi Hug als musikalischen Leiter besteht seit einem halben Jahrhundert.
»Horn auf«, gibt Willi Hug das Kommando. Die Hörner werden an die Lippen gesetzt, die jeweils freien Hände in die Seiten gestemmt. »Drei, vier«, zählt der 69-Jährige an, dann erfüllen über die Waldlichtung geschmetterte Töne die Abendluft – das Klangerlebnis ist ein einzigartiges.
Bereits vor über 1.000 Jahren wurde das Jagdhorn weithin hörbar eingesetzt, beispielsweise aus Büffel- oder Stierhorn gefertigt. Als heilig geltend, durfte es nur der dazu berechtigte Träger berühren und blasen. Heutzutage werden Jagdhörner auch als reine Musikinstrumente verwendet.
»Im Sommer blasen wir immer draußen vor der Hütte, im Winter ist es drinnen halt ein bisschen eng«, so Willi Hug. Denn dreizehn Mannen und eine Frau versammeln sich dann in der heimeligen Hüttenwärme. Durch ihre drei Brüder kam Marlene Lehmann dereinst zum Jagdhornblasen, seit 1976 ist sie dabei. Und wie jeder der Kollegen hat sie ihren festen Platz in dem von den Musikern auf der Wiese gebildeten Halbkreis: links die Es-Hörner, in der Mitte die zweite Stimme, rechts die erste Stimme. Varianten der Naturtrompeten stellen die Blechblasinstrumente dar, sie sind also nicht mit Klappen oder Ventilen ausgestattet. Daher kann man mit ihnen nicht die ganze Tonleiter spielen, sondern lediglich fünf Naturtöne hervorbringen. Die aber haben es in sich. Vor allem, wenn sie im Verbund gespielt werden, ihre Kraft sich vervielfacht. Wobei die zehn handlich-kleinen »Fürst Pleßschen Jagdhörner« der Harmersbachtaler Jagdhornbläser von vier großen französischen Parforce-Hörnern unterstützt werden, die immerhin bis zu acht Töne hervorbringen und bei Hetzjagden zu Pferde eingesetzt wurden. Bis auf den musikalischen Leiter kann keines der Gruppenmitglieder im Alter von 18 bis 75 Jahren Noten lesen, »das müssen wir auch nicht«, lacht einer, »wie spielen nach Gedächtnis und nach Gehör.« Aber wie! Mit ihrem Können haben die seit 2005 als Verein eingetragenen Musiker mehrmals Wettbewerbe gewonnen.
Jagdsignale für die Verständigung
»Horn ab«, gibt Willi Hug vor, als die Instrumente schweigen, und wieder folgen ihm alle. »Damit’s ordentlich aussieht«, erklärt der heutige Forstmeister im Ruhestand, der anno 1967 zunächst drei Gleichgesinnte um sich scharte. »Da haben wir noch zum Proben bei einem Kollegen im Wohnzimmer geblasen.« Durch seinen früheren Ausbilder in Bonndorf im Hochschwarzwald war er zum Jagdhornblasen gekommen, »der brachte mir das nach Feierabend bei, und danach – auf der Forstschule – da gab’s Kollegen, die zusammen geblasen hatten.« Um den Erhalt des Brauchtums geht es Hug, der – mit Ausnahme von Marlene Lehmann – wie alle anderen Vereinsmitglieder als Jäger aktiv ist.
»Das Jagdhorn war ja früher ein reines Signalhorn, das bei Gesellschaftsjagden verwendet wurde, um Informationen über größere Distanzen zu vermitteln«, erklärt er. Los ging es am frühen Morgen mit dem »hohen Wecken«, dann begrüßten die Hörner die Jäger. Anschließend »wurden in einer Rede die Regularien erklärt, was geschossen werden darf und so weiter.« Mit dem kurzen Musikstück »Aufbruch zur Jagd« begab sich die Gesellschaft in den Wald. Sobald die Treiber und Schützen »eingewiesen waren und alle richtig standen«, wurde das Treiben angeblasen und mit den sehr kurzen Leitsignalen gesteuert. »Und wenn die Treiber mal müde sind und der Jagdleiter meint, sie brauchen ein bisschen mehr Pfeffer, dann gibt’s von den Jagdhörnern eine Aufmunterung« – singend stimmt Willi Hug ein paar Töne an, schon schmettern die Hörner eine schwungvolle Melodie.
Beim Kesseltreiben verkündeten Signale der zwecks Verständigung im Gelände verteilten Jagdhornbläser, ab welchem Zeitpunkt aus Sicherheitsgründen nicht mehr in den von Treibern und Schützen gebildeten, weitläufigen Kreis hinein geschossen werden durfte. Galt es, sich untereinander zu orten, so ließ ein Jagdhorn den Hegeruf »Wo bist du denn« erklingen. »Bin hier, bin hier«, lautete die musikalische Antwort. Auch zum Sammeln der Jäger oder zum Essen riefen die Instrumente. Mit dem »Hunderuf« wiederum wurde ein Hund zur Nachsuche angefordert, mit dem »Wagenruf« ein Vehikel zum Transport des Wildes.
Neben diesen kurzen Leitsignalen gibt es die sogenannten Totsignale. »Für jede erlegte Wildart gibt es jeweils ein – inzwischen in ganz Deutschland vereinheitlichtes – Signal, das zum Schluss der Jagd mit dem »Halali« verblasen wird«, erklärt Willi Hug. Ob Bär, Reh oder Sau, ob Auerhahn, Fuchs oder Kaninchen – mit einem solchen Wildsignal soll dem Tier die letzte Ehre erwiesen werden. Auch bei der Beerdigung eines Jägers erklingt das Halali zu dessen Ehren.
Abschlusskonzert des Jubiläumsjahres am 12. November
Zwar werden die Jagdhörner von der Gruppe um Hug hauptsächlich als Musikinstrumente zum Spielen von Märschen und Liedern genutzt, die sich aus den Signalen entwickelt haben »doch die wichtigsten Leit- und Wildsignale können wir.« Überhaupt solle diese noch immer jeder Jäger kennen, auch wenn er Nicht-Bläser sei und heutzutage »vieles über Handy geht, aber diese Signale werden noch immer geblasen.«
Zum Abschluss ihres Jubiläumsjahres spielen die Harmersbachtaler Jagdhornbläser am Sonntag, 12. November, zur Hubertus-Messe in der Oberharmersbacher Pfarrkirche »St. Gallus«.