»Die Leute haben mich anfangs für verrückt erklärt« lacht Klaus Willmann. »Andere werfen das Zeugs weg und ich hol’s mir wieder.« Inzwischen sorgt für Begeisterung, was er acht Jahre lang mit unbändiger Kreativität erschaffen hat: sein »Ruhlsbachschöpfle«.
Die hauseigenen Enten könnten keine idyllischere Bleibe haben, hier am hangabwärts fließenden Ruhlsbach im Nordracher Hinterland: Freudig begrüßen sie Klaus Willmann. Für den gab es nach der feierabendlichen Fütterung in der Regel nur eines in den letzten Jahren: das Arbeiten an seinem Herzblut-Projekt, dem Um-, An- und Ausbau eines ehemaligen Traktorunterstandes samt angrenzendem Heuschopf.
Dabei entstanden ist etwas, das sich in seiner urig-heimeligen Einzigartigkeit – innen wie außen – schwerlich beschreiben lässt. Ob Freunde, Bekannte oder vorbeikommende Wanderer, der Betrachter kommt aus dem Staunen schier nicht heraus. »Neulich ist hier am Abend extra ein Radfahrer hergekommen, der hat gefragt, ob er sich das angucken kann«, erzählt der 55-Jährige. Volle zwei Stunden blieb der Pedalist. Als er sich alles angeschaut hatte, begab er sich geradewegs auf einen zweiten ausführlichen Rundgang. »Mensch, das ist der Hammer, hat er gesagt«, strahlt Klaus Willmann, »dass ein Mensch so was alleine hinkriegen kann!«
Und das habe er in der Tat, zu 99 Prozent. »Nur ein einziges Mal war ein Handwerker da, ein Zimmermann«, so der Familienvater, der seit fünf Jahren als Hausmeister in der Reha-Klinik Klausenbach in Nordrach-Kolonie arbeitet. Zuvor hatte er 36 Jahre lang als Beruf ausgeübt, was schon immer seine Leidenschaft gewesen ist, das Schreinern. Und dem konnte er sich im Entstehungsprozess seines Schöpfles mit Hingabe widmen, auf dem Hof der Schwiegereltern.
Eigentlich hätten Willmann und seine Frau in der Abgeschiedenheit hier oben nicht wohnen bleiben wollen. »Aber mittlerweile muss ich sagen: Für mich ist hier das Paradies, unglaublich«, so der gebürtige Entersbacher mit Blick vor allem auch auf sein Bauwerk.
»Was Richtiges gemacht«
Angefangen hat alles mit dem offenen Unterstand für seine beiden Oldtimer-Bulldogs – ein weiteres Hobby des Mannes mit dem Faible für alte Dinge. Diesen Unterstand versah er mit Wänden. Zu einer Zeit, als sein inzwischen verstorbener Vater schwer erkrankte und keine Treppen mehr steigen konnte. Ähnlich heimelig sollte es werden »wie das Krippele im bayrischen Stil«, das Klaus Willmann zur Geburt seines ersten Kindes gefertigt hatte. »Wenn mein Vater bei seinen Besuchen dann dort im Schopf hat sitzen können, war das der größte Stolz für ihn«, erinnert er sich mit strahlendem Lachen. »Der hat dann immer gesagt: Klaus, jetzt hast du endlich was Richtiges gemacht im Leben.«
Von da an habe sich die Sache entwickelt. Geburtstage und Feste wurden in dem einstigen Unterstand gefeiert, »alles schön beleuchtet und mit einem alten Ofen, das war super genial«. Derart motiviert nahm Klaus Willmann nun den Umbau und die Ausgestaltung des ehemaligen Heuschopfes in Angriff, der bis dato zur Lagerung von Brennholz diente. Ohne nach einem Plan vorzugehen. »Nach und nach gewachsen ist das alles. Wenn mir vor acht Jahren jemand gesagt hätte, dass das mal so wird, wie es jetzt ist, hätte ich gesagt: nie im Leben«, freut sich der begnadete Handwerker staunend über sein Werk, wie es heute da steht.
Material ausschließlich aus Nordrach
Das verwendete Material stammt von Ruinen, Abrissen oder Modernisierungsbaustellen. »Entscheidend für mich war vor allem das Gebälk«, zeigt der Wahl-Nordracher auf die uralten Balken eines einstigen Dachstuhls, mit dem er die inneren Fachwerkwände hochgezogen hat. Liebevoll streicht er über die tiefen Risse im Holz, »das sieht aus, wie wenn’s leben würde.« Aber auch ausgediente Fensterrahmen, Bretter und Türen, sogar die eines Hennenstalls, hat er sich besorgt, um sie kreativen Verwendungszwecken zuzuführen. Jede Schrunde, jedes Fraßloch eines Holzwurmes wirkt hier hoch dekorativ. Hinzu kommt die Verzierung mit Uralt-Beschlägen, die der Mann mit dem enormen gestalterischen Geschick schon immer gesammelt hat. »Alle, von denen ich das Zeug geholt habe, habe ich dann eingeladen«, erzählt er, »und sie sind auch gekommen und waren total begeistert.« Was ihn zum erneuten Weitermachen motivierte.
Grundsätzlich aus Nordrach stammen die Bestandteile seines Schöpfles, das auf diese Weise Teile der Dorfgeschichte konserviert, des Dorflebens. Sogar alte Backsteine einer jüngst herausgerissenen Rathauswand hat der Erfinderische aus dem Schuttcontainer geholt und daraus eine Ofenecke gemauert.
Unterstützung durch Einheimische
Längst kommen Einheimische auf den einst für »verrückt« Erklärten von sich aus zu und bieten ihm nicht nur Baumaterial, sondern auch angejahrte Utensilien an, die er auf seine ganz und gar eigene Weise schmückend in Szene zu setzen weiß. Ob Transmissionsvorrichtung, Milchschlitten, Kanne, Leitern, Butterschleuder, Handwerkszeug, Siebe, Sägeblätter, Egge, Seile, Bilderrahmen, eine über 100 Jahre alte Hobelbank und vieles mehr – alles hat eine eigene Geschichte, und für alles hat Klaus Willmann eine ebenso ideenreiche wie stimmige Verwendung gefunden.
Alte Stühle und zwei selbst gezimmerte Tische tun ihr Übriges. Eine Kommerzialisierung jedoch lehnt der Schöpflebauer trotz sich häufender Anfragen rundweg ab: »Ich vermiete nicht, ich hab’ das alles rein aus Spaß gemacht – und so soll’s bleiben.«
Des Erschaffers Liebe zu seinem Tun sieht und spürt man beim Betrachten auch des kleinsten Details. »Ich muss dazu sagen: Da gehören zwei dazu«, betont Klaus Willmann jedoch. Mit der zweiten im Bunde meint er seine Frau Karin Baumann, mit der er seit 35 Jahren zusammen ist und ohne deren Verständnis für sein Herzblut-Projekt, das Ruhlsbachschöpfle, nicht entstanden wäre. »Er hat sich hier verwirklichen können«, lacht sie, wohlwissend.